Geschichte

Ein Skikjöring auf der Strasse machte den Anfang

St.Moritz ist der Kurort, wo Wintersport und -tourismus erfunden wurden, wo erstmals in der Schweiz elektrisches Licht gezündet werden konnte. Und gleichenorts kreierten vor über 100 Jahren ein paar unternehmungslustige Sportler eine neue hippologische Disziplin, die 1923 – fünf Jahre vor der ersten
St. Moritzer Winterolympiade – sogar mit olympischer Zugehörigkeit liebäugelte: das Skikjöring.

 

Nirgendwo anders als im Engadin laufen Vollblutrennpferde ohne Reiter auf dem Rücken und nur mit Skifahrern im Schlepptau regelmässig um die Wette. Damals, bei der Skikjöring-Premiere 1906, war vieles ganz anders als heute. Zu dieser Zeit beschloss der Kurverein St. Moritz erstmals ein Skikjörig Wettrennen durchzuführen. Die 10 Kilometer lange Strecke von St. Moritz führe durch das Dorf, entlang der Seestrasse bis nach Champfèr und wieder zurück. Die Fahrer nahmen die Strecke von St.Moritz nach Champfèr und zurück damals aber nicht gemeinsam in Angriff, sondern starteten individuell im Minutentakt. Philip Mark, der Präsident des Skiclubs Alpina, und sein irischer Fuchswallach Blitz waren die Schnellsten. Für die knapp zehn Kilometer benötigten die beiden 20 Minuten und 22 Sekunden.

 

Zum ersten Mal Pferderennen auf dem See

Die Begeisterung für die neue Sportart war riesig und das erste Rennen wurde mit Bravour und respektabler Fertigkeit gemeistert. Ab 1907 fanden dann alle Pferderennen erstmals auf dem See statt. Es wurde eine 1750m lange und 20m breite Bahn präpariert. Seit das Skikjöring auf die Bahn transferiert wurde, wird es wie jedes andere Galopprennen gelaufen – im Pulk, Pferd gegen Pferd, Fahrer gegen Fahrer. Dies erfordert von den Sportlern grosses skifahrerisches Können und eine sichere Kontrolle ihrer vierbeinigen Partner. Als besonders schwierig erwies sich stets der Start, zumal sich in dieser ersten Phase des Rennens die Leinen leicht verheddern oder die Vollblüter manchmal in alle Richtungen abspringen können. Von «heillosem Durcheinander» wurde im Laufe der Jahrzehnte immer wieder berichtet; 1965 beispielsweise kam kein einziger Fahrer ins Ziel. Deshalb wurde das Skikjöring in der Folge als offizielle Galopp-Disziplin reglementiert, die Ausrüstung vereinheitlicht, farbige Skis wurden vorgeschrieben (damit sie von den Pferden im Schnee erkannt werden können) und die Fahrer im Vorfeld einer strengen Prüfung unterzogen.

Die erste Ausschreibung

I. Skikjöring. «Der Preis von St. Moritz». Offen für Pferde aller Länder, fünfjährig und älter.

Das Rennen wird auf Zeit und in Serien von je 4 Pferden gefahren; die 5 besten Pferde rennen

das Finale.Distanz: für das Serienfahren ca. 2000 Meter, für das Finale ca. 3000 Meter.

 

Preise im Betrage von ca. Fr. 1500.—;davon erhält der erste Sieger Fr. 500.—, der zweite Fr. 300.—, der dritte Fr. 200.—; der Fahrer des Pferdes erhält von diesen Preisen 25 Prozent in einer Naturalgabe. Serienpreis: Der Sieger in jeder Serie erhält Fr.100.—.Renngeld Fr. 10.—.

 

Das Organisationskomitee ist in der Lage, den Pferdebesitzern erfahrene und zuverlässige Fahrer zur Verfügung zu stellen.

Gründung des Rennvereins

Das Skikjöring, das vom norwegischen Snörekjöring (Schnur-Fahren) abgeleitet wurde, war erfunden und mit ihm der White Turf von St.Moritz. Es sollte zwar noch mehr als 80 Jahre dauern, bis der Anglizismus zur Metapher für ein modernes Sport- und Gesellschafts-Event werden konnte, eine exklusive Tradition hatte jedoch ihren Anfang genommen. Zur gleichen Zeit gründeten die Initianten des alpinen Turfs im Kulm-Hotel den Rennverein St.Moritz. Im Laufe der Zeit wurde das Programm mit Flachrennen (1911) und Hürdenrennen (1922) erweitert, der Versuch, die winterlichen Meetings um ein sommerliches Pendant zu ergänzen, scheiterte hingegen. 1908 fanden bereits sechs Rennen mit Totalisator statt. Dies war der Beginn der grossen Wetten bei den Pferdewettkämpfen auf dem St. Moritzersee. Man schätzte die Zuschauerzahlen für den Rennsonntag 1908 auf 5000 Personen. Ein Jahr später gab es schon zwei Renntage und weil die Rennen ein solch grosser Erfolg für den Oberengadiner Tourismus waren, erhöhte man im Jahren 1910 sogar auf drei Renntage. Der Umsatz des Totalisators und der Eintrittskarten war riesig. Die Pferderennen waren ein internationales Sportfest mit grosser Beteiligung. Sogar die schwedischen Olympiasieger im Military nahmen am Skikjöring in St. Moritz teil. Bei der Mobilmachung im Jahre 1915 konnten die Pferderennen nicht mehr fortgesetzt werden. Zwei Jahre später wollte man die ausgesetzten Rennen auf dem See wieder durchführen. Dies gestaltete sich jedoch als ziemlich schwierig und so wurden die Rennen auch 1917 abgesagt. Im ersten Jahr nach dem Krieg fühlte sich der Rennverein verpflichtet, die Pferderennen in St. Moritz wieder durchzuführen. Der Erfolg übertrag alle Erwartungen und die rennen konnten im Jahre 1920 erfolgreich abgehalten werden.

 

Keine reine Männersache mehr

Bis ca. 1930 waren hauptsächlich Männer zugelassen, die viel Reiterfahrung hatten. Das Können im Skifahren war lange Zeit nur Nebensache. Dies änderte sich jedoch, als die Rennqualität der Pferde stieg und diese schneller wurden. Obwohl die Qualität der Pferde, die in dieser Prüfung eingesetzt werden, Jahr für Jahr besser geworden ist und jeden Winter immense Anstrengungen unternommen werden, um die Rennbahn auf der rund 60 Zentimeter dicken Eisdecke sicherer zu machen, eine gewisse Waghalsigkeit muss den Skikjöring-Fahrern auch heute noch eigen sein. Denn eine 2700 Meter lange Strecke auf gepresstem Geläuf, im Schneeschollen-Regen und mit Geschwindigkeiten von bis zu 50 Kilometern pro Stunde zu meistern, setzt ganz schön viel Kraft, Athletik, Gleichgewicht, Instinkt und Härte voraus. Vorentscheidend für den späteren Erfolg oder Misserfolg sind die Positionskämpfe vom Start bis in die erste Kurve. Zwischenfälle können sich aber auch später ereignen, wenn zum Beispiel ein Pferd versehentlich auf die Skis eines Fahrers tritt. Die St. Moritzer Skikjöring-Rennen an den drei Renntagen werden seit einigen Jahren zu einer Trophy zusammengefasst. Der nach Punkten erfolgreichste Fahrer oder Fahrerin wird zum «König oder Königin des Engadins» gekürt. Die erste Frau die offiziell ein Skikjöringrennen bestritt war Hedy Danuser 1983, doch leider hat Danuser nie das Ziel erreicht. 2009 war es dann aber mit der Männerdomäne definitiv vorbei. Valeria Holinger, die damals 18-jährige St. Moritzerin, wurde in ihrem ersten Rennen mit Bailey's Best auf Anhieb dritte und war somit die erste Frau überhaupt, die ein Skikjöringrennen erfolgreich bestritt.  Bis eine Dame aber Platz Nummer 1 erobern konnte, vergingen nochmals 6 Jahre. Leta Joos gewann 2015 mit ihrem Vollbluttwallach Decorum als erste Frau ein Skikjöringrennen. Zwei Jahre später aber, war es dann mit der Männerdomäne definitiv zu Ende. 2017 war das Jahr von Valeria Holinger und ihrer Stute Usbekia. Die Vollblutstute dominierte die Skikjöringrennen und gewann alle zwei Rennen (3. Sonntag wurde abgesagt) und machte Valeria somit zur ersten Königin aller Zeiten. Dies reichte den beiden nicht. Im folge Jahr 2018 gewannen sie erneut die Credit Suisse Trophy und streben im 2019 den sogenannten "Triple Crown" an, was bis jetzt nur 2 Skikjöringfahrern gelungen ist (Franco Moro & Jakob Broger).

Quelle: 75 Jahre Pferderennen in St. Moritz, Rennverein St. Moritz, Gaston Delaquis & www.whiteturf.ch